Zum Ausschluss von Ansprüchen wegen Spätfolgen durch schadhafte Luftschutzräume aus dem Zweiten Weltkrieg

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche wegen Spätschäden aufgrund der Anlegung von Luftschutzräumen auf privaten Grundstücken während des Zweiten Weltkriegs gegen die Bundesrepublik Deutschland noch bestehen können ( Az.: V ZR 30/13 vom 18. Juli 2014 ). Darauf macht Haus & Grund Rheinland aufmerksam.

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche wegen Spätschäden aufgrund der Anlegung von Luftschutzräumen auf privaten Grundstücken während des Zweiten Weltkriegs gegen die Bundesrepublik Deutschland noch bestehen können ( Az.: V ZR 30/13 vom 18. Juli 2014 ). Darauf macht Haus & Grund Rheinland aufmerksam.

Der Entscheidung liegt folgender Fall zugrunde: Auf dem Grundstück der Klägerin befindet sich ein Felsen mit einer ehemaligen Stollenanlage, die während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzraum genutzt wurde. Diese hat mehrere Eingänge. Einer davon befindet sich auf einem anderen Grundstück und war verschlossen. Vor einem auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen weiteren Eingang wurde in den 1960er Jahren eine Mauer errichtet, um ein Betreten der Anlage von dort aus zu verhindern. Nachdem die Klägerin Anfang 1983 ein Angebot zur Besitzübergabe wegen eines darin enthaltenen Anspruchsverzichts nicht annehmen wollte, erklärte die Beklagte mit einem Schreiben an die Klägerin vom 26. April 1983, sie gebe den Besitz an der Anlage auf. Ende 2006 stellte die Klägerin schwere Bauschäden an einem 1954 vor der Wand des Felsens errichteten Lagergebäude fest, die auf einen Felsabbruch oberhalb des Zugangs zu der Stollenanlage zurückzuführen sind. Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland als Ersatz für Sicherungs- und Abtragungsarbeiten Zahlung von zuletzt 215.261,38 Euro nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin weitgehend entsprochen. Die von dem Senat zugelassene Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

Die Anlegung des Luftschutzraums auf dem Grundstück der Klägerin ist eine Eigentumsstörung i.S.d. § 1004 BGB. Dagegen konnte die Klägerin zunächst nichts unternehmen, weil ihre Stollenanlage mit der Anlegung der Schutzräume für einen öffentlichen Zweck, nämlich als Luftschutzraum, gewidmet wurde und sie diese Widmung zu dulden hatte (§ 1004 Abs. 2 BGB). Die Bundesrepublik hat mit § 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) ihre Haftung für solche Eigentumsstörungen grundsätzlich ausgeschlossen. Etwas anderes gilt nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG, wenn die Beseitigung der Eigentumsstörung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Dann hat der Bund hierfür einzustehen, allerdings nur, wenn die Ansprüche innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr angemeldet werden. Diese Frist beginnt nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AKG mit der Entstehung des Anspruchs. In diesem Sinne entstanden ist der Anspruch mit der Anlegung des Luftschutzraums und dem Fortfall der erwähnten Duldungspflicht. Unerheblich ist dagegen, wann die konkrete Gefahr, etwa durch einen Felsabbruch, eingetreten ist.

Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, wann die Pflicht zur Duldung eines Luftschutzraums entfallen ist. Nach Ansicht der Klägerin kommt es darauf an, wann die Beklagte den Besitz aufgegeben hat. Die Beklagte selbst hält die Schließung der Stollenanlage als Luftschutzraum für den maßgeblichen Zeitpunkt. Im ersten Fall wäre die Anmeldung der Klägerin rechtzeitig, im zweiten nicht. Der Bundesgerichtshof folgt weder der einen noch der anderen Sicht. Normalerweise entfällt eine Duldungspflicht zwar mit der Aufgabe der öffentlichen Nutzung des privaten Grundstücks. Bei der öffentlichen Nutzung privater Grundstücke für Zwecke des Luftschutzes galt aber in dem hier relevanten Zeitraum (1982/83) eine Besonderheit: Nach dem seinerzeit geltenden Schutzbaugesetz entfiel die Duldungspflicht nicht schon mit der Schließung des Schutzraums. Vielmehr durfte der Grundstückseigentümer auch einen geschlossenen Schutzraum ohne Zustimmung der staatlichen Stelle so lange weder verändern noch beseitigen, bis über eine Wiederverwendung entschieden und diese endgültig abgelehnt worden war (sog. Veränderungssperre). Der Anspruch auf Beseitigung eines Schutzraums entsteht deshalb erst, wenn der Schutzraum nicht nur stillgelegt worden, sondern auch entschieden ist, dass es dabei auf Dauer bleiben soll. Von beiden Entscheidungen – die Schließung des Schutzraums und die Entscheidung darüber, dass er auch nicht mehr wiederverwendet werden soll – muss der betroffene Grundstückseigentümer erfahren, weil er anders die Anmeldefrist nicht wahren kann. Deshalb reicht es nicht, wenn sie behördenintern getroffen worden sind. Vielmehr müssen sie dem Grundstückseigentümer mitgeteilt oder wenigstens öffentlich bekannt gemacht werden.

Ob und wann dies geschehen war, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Darum ließ sich nicht feststellen, ob die Anmeldefrist eingehalten worden war. Deshalb war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Aufklärung dieser Fragen an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung hat über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung: Die Anmeldefrist für Ansprüche wegen der Spätfolgen defekter Luftschutzräume, die während des Zweitens Weltkriegs errichtet worden sind, beginnt grundsätzlich nicht schon mit der Schließung des Schutzraums, sondern erst mit der Entscheidung, dass sie endgültig sein soll. Das bedeutet einerseits, dass sich manche Anmeldung im Nachhinein als rechtzeitig erweisen kann, führt aber andererseits nicht dazu, dass solche Ansprüche auch heute noch angemeldet werden könnten. Die Beschränkungen des Grundstückseigentümers bei stillgelegten Schutzbauten sind nämlich mit der Aufhebung der Vorschrift über die Veränderungssperre zum 4. April 1997 entfallen. Die Frist für die Anmeldung von Ansprüchen wegen solcher Schutzbauten begann deshalb spätestens mit diesem Zeitpunkt. Für die neuen Bundesländer hat die Entscheidung keine Auswirkungen, weil dort nur der Anspruchsausschluss nach § 1 AKG, nicht aber die Haftung des Bundes nach § 19 Abs. 2, § 27 AKG gilt.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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