Wenn sich herausstellt, dass eine Mietwohnung mehr als 10 Prozent kleiner ist, als es im Mietvertrag vereinbart wurde, können Mieter das als erheblichen Mietmangel werten und Geld zurück verlangen. Vermieter müssen deshalb genau darauf achten, die Wohnfläche korrekt zu berechnen. Doch die Regeln dazu haben sich im Laufe der Zeit geändert. Welche sind wann anzuwenden?
Karlsruhe. Die Wohnfläche ist auch für frei finanzierten Wohnraum nach jenen Regelungen zu berechnen, die für den sozialen Wohnungsbau aufgestellt wurden. Dabei ist jeweils das Regelwerk anzuwenden, das zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses in Kraft ist – und nicht etwa jenes, das zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes galt. Seit 2004 ist daher die Wohnflächenverordnung (WoFlV) einschlägig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt (Beschluss vom 17.10.2023, Az.: VIII ZR 61/23).
Damit gaben die Bundesrichter einer Mieterin aus Bonn Recht. Sie war im Jahr 2014 in ihre aus den 60er-Jahren stammende Mietwohnung eingezogen. Bei der Gelegenheit trug man im Mietvertrag eine Wohnfläche von 49,18 Quadratmetern ein – dieser Wert bei der Errichtung der Wohnung ermittelt worden. Grundlage für die Berechnung war seinerzeit die sogenannte II. Berechnungsverordnung, die damals die Regeln für die Berechnung der Wohnfläche festlegte.
Streit über Einberechnung des Balkons
Die Mieterin griff später selbst zum Zollstock und kam zu einem ganz anderen Ergebnis. Demnach wäre die Wohnung nur 42,64 Quadratmeter groß. Das bedeutet eine Abweichung um 13,3 Prozent von der im Mietvertrag festgelegten Fläche. Da eine Abweichung von mehr als 10 Prozent nach der Rechtsprechung des BGH als erheblicher Mietmangel zu werten ist, verklagte die Mieterin ihre Vermieterin auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete. Das Bonner Amtsgericht wollte Klarheit schaffen und beauftragte einen Sachverständigen.
Der Gutachter rechnete vor, die Wohnung habe eine Wohnfläche von 43,3 Quadratmetern und sei damit 11,96 Prozent kleiner als im Mietvertrag vereinbart. Bei seiner Berechnung berücksichtigte er die Fläche des Balkons zu einem Viertel. So sieht es die Wohnflächenverordnung (WoFlV) vor, die zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist. Die zum Bauzeitpunkt der Wohnung gültige II. Berechnungsverordnung berücksichtigte Balkone noch mit 50 Prozent ihrer Fläche. So erklärt sich die Abweichung der Ergebnisse.
Bestandsgebäude: Wohnfläche ab 2004 nach WoFlV zu berechnen
Für die Frage, ob die Wohnfläche in diesem Fall mehr als 10 Prozent vom vereinbarten Wert abweicht, kam es also darauf an, nach welchem Regelwerk die Wohnfläche für eine Bestandswohnung zu berechnen ist: Nach jenem, dass bei der Errichtung galt, oder nach jenem, das zu dem Zeitpunkt galt, als der fragliche Mietvertrag abgeschlossen wurde? Den Streit über diese Frage musste schließlich der Bundesgerichtshof beilegen. Die Bundesrichter entschieden im Sinne der Mieterin für die zweite Variante.
Die Wohnfläche ist also immer nach den Regeln zu berechnen, die zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses gelten. Für Mietverträge, die ab dem 1. Januar 2004 geschlossen wurden, ist daher die Wohnflächenverordnung maßgeblich und nicht mehr die II. Berechnungsverordnung. Die Bundesrichter wiesen zugleich darauf hin, dass Vermieter sich eine Neuberechnung bei Wohnungen, die älter als 2004 sind, ersparen können, indem sie im Mietvertrag vereinbaren, dass die Wohnfläche nach der II. Berechnungsverordnung berechnet werden soll – sofern sich die Mieter darauf einlassen.
Tipp: Es gibt keine Verpflichtung, im Mietvertrag überhaupt eine Wohnfläche zu vereinbaren. Wer keine Wohnfläche vereinbart, setzt sich auch nicht dem Vorwurf aus, weniger Fläche zur Verfügung zu stellen, als vereinbart. Der bundesweit gültige, rechtssichere Wohnraum-Mietvertrag der Haus & Grund Rheinland Westfalen Verlag und Service GmbH enthält deswegen gar kein Feld zum Eintragen einer Wohnfläche.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
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